Stand: 23.07.2020 12:00 Uhr
von Christian Wolf
Als Ende vergangenen Jahres bekannt wurde, dass die Volksrepublik China an einem dritten Flugzeugträger arbeitet, waren viele Experten und Marine-Beobachter erstaunt. Schließlich hatte die chinesische Marine erst kurz zuvor ihren zweiten Träger - die "Shandong" – mit großem Pathos in Dienst gestellt. Der Name des neuen Schiffes ist noch nicht bekannt. Auch sonst hält sich das chinesische Militär und dessen Führung mit Informationen zurück. Nur so viel ist klar: Der Träger Nummer drei ist diesmal eine echte Eigenentwicklung.
Künftig chinesische Konstruktion
Das erste Schiff, die "Liaoning", kaufte China vor einigen Jahren halbfertig von der Ukraine und beendete die Arbeiten für vermutlich mehrere Milliarden Dollar. Der zweite chinesische Flugzeugträger ist eine Kopie des ersten und basiert damit ebenfalls auf dem Design der russischen Admiral-Kusnetzow-Klasse. Beide Schiffe verfügen über einen so genannten Ski-Jump – d.h. eine Erhöhung am Ende des Flugdecks, damit die Flugzeuge ohne Katapult starten können.
Orientierung an US-Träger
Sarah Kirchberger beschäftigt sich beim Kieler Institut für Sicherheitspolitik mit der maritimen Sicherheit im asiatischen Pazifikraum und weiß, dass der neue Träger diesmal ganz anders aussehen wird. Der im Bau befindliche dritte Träger werde ein sogenannter Flat-Top sein – also ein flaches Flugdeck haben und wie die amerikanischen Flugzeugträger mit einem Katapultsystem ausgestattet werden. Möglicherweise sogar mit einem elektromagnetischen Katapultsystem – ein sogenanntes EMALS-System. Für die Chinesen ist nach Ansicht der Sicherheitsexpertin Kirchberger aber auch der ältere Dampfkatapult eine Option. Für welche Technologie sich die chinesische Marine entscheidet, das sei aber noch offen. Für beide Katapultsyteme gebe es in China jedenfalls Testanlagen.
Katapultsysteme im Test
Sie stehen in der Nähe von Wuhan. Dort haben chinesische Ingenieure eine Nachbildung ein so genanntes Mock-Up, im Maßstab eins zu eins, aufgebaut – aus tausenden Tonnen Beton. Regelmäßig starten und landen Flugzeuge dort, um die die unterschiedlichen Katapultsysteme auszuprobieren.
Spekulation über Atomantrieb
Welches System sich am Ende durchsetzen wird, hängt auch vom Antrieb des Schiffes ab. Denn für die elektromagnetische Variante wird viel Energie benötigt – etwa 50 Megawatt sollen es kurzfristig bei der US-amerikanischen Variante sein - also genug Energie, um eine Kleinstadt mit 60.000 Einwohnern zu versorgen. Die beiden bereits in Dienst gestellten chinesischen Flugzeugträger werden mit Dampfturbinen angetrieben.. Wird das dritte Schiff nun möglicherweise erstmals über einen Nuklearantrieb verfügen? Die Marine-Expertin Sarah Kirchberger vom Institut für Sicherheitspolitik aus Kiel verweist darauf, dass China bisher über keinen Nuklearantrieb für solche großen Schiffe verfüge. "Es gibt nur Nuklear-Antriebe für die U-Boote, aber die sind nicht geeignet, um einen Träger anzutreiben. Und da das noch nicht entwickelt wurde, geht man davon aus, dass es mit dem EMALS-System in China schwierig werden könnte." Der Antrieb des dritten chinesischen Flugzeugträgers ist also noch unklar, genauso wie die Frage, welche Art von Katapult künftig zum Einsatz kommen wird.
Neues Trägerflugzeug angestrebt
Auch ist nicht sicher, welches Flugzeug vom Deck des neuen Flaggschiffs abheben wird. Auf den beiden Trägern "Liaoning" und "Shangdong" ist die Shenyang J-15 stationiert. Das Flugzeug basiert zum Teil auf der russischen Suchoi Su-33 – wird allerdings nicht in Lizenz gebaut. Chinas Kopie ist mit einem Maximalgewicht von 33 Tonnen das schwerste Flugzeug, das überhaupt auf Trägern eingesetzt wird. Das hat Nachteile mit Blick auf die Bewaffnung und Reichweite. Man wisse, dass ein neues trägergestütztes Flugzeug in Entwicklung sei, sagt Sarah Kirchberger vom Institut für Sicherheitspolitik in Kiel. Über die Merkmale gebe es vor allem Gerüchte.Technische Details sind daher noch nicht bekannt.
Immense Kosten
Bislang sind auch die Kosten für den neuen Flugzeugträger noch unklar. Rückschlüsse gibt es keine – aber ein Vergleich. So kostet das Typ-Schiff für den neuen Träger der US Navy, die Gerald Ford, 13 Milliarden US-Dollar. Hinzu kommen noch einmal 36 Milliarden für die Entwicklung von neuen Technologien. Ähnliche Summen wird die chinesische Regierung möglicherweise ebenfalls ausgegeben haben.
Mehr als vier Flugzeugträger angestrebt?
Kürzlich hatte es noch geheißen, die Chinesen strebten bis 2035 eine Flotte von mindestens sechs Flugzeugträgern an. Mehrere Schiffe sollten über einen Nuklearantrieb verfügen. Nach Medienberichten sind diese ehrgeizigen Ziele mittlerweile nach unten korrigiert worden. Grund seien technische Probleme, aber auch die immensen Kosten. Mittlerweile sei von von insgesamt vier Flugzeugträgern die Rede. Der Bau des dritten Trägers mit dem sogenannten Flat-Top-Deck wird nach Ansicht vieler Marine-Experten auf jeden Fall fortgesetzt und abgeschlossen. Allerdings wird es bei diesem einen Modell bleiben – davon geht zumindest Sarah Kirchberger aus. Sie glaubt, dass Peking mehr als vier Flugzeugträger anstrebt. Für die anderen Träger werde China allerdings auf das bewährte und kostengünstigere Design der Liaoning-Klasse zurückgreifen.
"Träger frisst Flotte"
Offenbar müssen auch die chinesischen Militärs eine allgemeine Faustregel zur Kenntnis nehmen, sagt der ehemalige Marine-Offizier Heinz-Dieter Jopp. Es gebe ein Sprichwort bei den Seestreitkräfte dieser Welt: "Träger frisst Flotte. Das heißt, in dem Moment wo sie Flugzeugträger haben, brauchen sie Schiffe, die diesen Träger schützen. Also U-Boote, die diesen Träger beschützen, Flugzeuge und alles was dazugehört."
Pazifik und Indischer Ozean als Einsatzgebiet
Aber auch ein abgespecktes Trägerprogramm wäre ambitiös. Nach dem dritten Flugzeugträger soll noch lange nicht Schluss sein – auch sei schon klar, wo die Schiffe kreuzen sollen, sagt die Marine-Expertin Sarah Kirchberger. Aus chinesischen Militärkreisen werde kolportiert, die Grundidee sei, "grundsätzlich zwei Träger im indischen Ozean und zwei Träger im Pazifik“ einzusetzen. Daraus abgeleitet geben es insgesamt einen "Bedarf von fünf bis sechs Trägern".
Träger als Status-Symbol?
Wozu aber braucht China überhaupt eine Flotte von Flugzeugträgern? Die Experten sind sich in diesem Punkt weitgehend einig. Anders als die USA will das Land mit diesen Großschiffen nicht in erster Linie politische Ziele durchsetzen. Den Chinesen gehe es vor allem darum, auf diese Weise ihren Status als Supermacht zu untermauern. Die neuen Trägerverbände sollen vor allem zeigen, dass Peking auch auf militärischem Gebiet mit den USA gleichgezogen habe.
Weitere Informationen
July 23, 2020 at 03:52PM
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Weniger chinesische Flugzeugträger als geplant? | NDR.de - Nachrichten - NDR.de
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